In einem aufsehenerregenden Interview mit dem Nachrichtensender CNN Türk hat Shahi Parnas, der Direktor der renommierten israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem, scharfe Kritik an Israels Premierminister Benjamin Netanjahu geäußert. Parnas warf Netanjahu vor, mit seinem militärischen Vorgehen im Gazastreifen seit dem 7. Oktober 2023 systematisch gegen internationale Normen zu verstoßen – und sprach von einem regelrechten „Lehrbuch für Völkermord“, das Netanjahu geschrieben habe.
„Wer wissen will, wie man einen Völkermord begeht, muss sich nur ansehen, was Netanjahu seit dem 7. Oktober tut“, sagte Parnas im Gespräch mit CNN Türk.
„Das Muster ist klar, die Absicht deutlich, die Wirkung verheerend.“
Systematische Zerstörung und Blockade
Seit Beginn der Militärkampagne im Oktober 2023 habe Israel, so B’Tselem, nicht nur militärische Ziele verfolgt, sondern gezielt zivile Infrastrukturen zerstört, darunter Wohngebiete, Krankenhäuser, Schulen und Strom- sowie Wasserleitungen. Hinzu komme eine rigorose Abriegelung des Gazastreifens, die zu einer humanitären Katastrophehistorischen Ausmaßes geführt habe.
„Die gezielte Aushungerung der Bevölkerung, das Blockieren medizinischer Hilfe, die Vertreibung hunderttausender Zivilisten – das alles sind nicht Begleitschäden, sondern Bestandteil einer strategischen Planung“, betont Parnas.
Internationale Empörung wächst
Die Aussagen des B’Tselem-Direktors fallen zeitlich zusammen mit der Veröffentlichung eines neuen B’Tselem-Berichts, der Israels Vorgehen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und potenziellen Völkermord klassifiziert. Die Organisation beruft sich dabei auf eine Vielzahl von Beweisen – darunter Satellitenbilder, Interviews mit Überlebenden, medizinische Berichte und dokumentierte Angriffe auf Zivilisten in sogenannten Sicherheitszonen.
Der Bericht sorgt auch international für Unruhe: Während Menschenrechtsorganisationen und UN-Sonderberichterstatterinnen die Vorwürfe ernst nehmen, zeigen sich Regierungen wie die der USA und Deutschlands bislang zurückhaltend. Israel selbst wies die Vorwürfe erwartungsgemäß als „absurd“ und „propagandistisch“ zurück.
Politische Verantwortung
Mit seinen Aussagen richtet Parnas den Fokus nicht nur auf das israelische Militär, sondern explizit auf Premierminister Netanjahu persönlich. Die politische und militärische Strategie sei von höchster Ebene gebilligt worden. Die Rhetorik der Regierung lasse, so Parnas, keinen Zweifel an ihrer Absicht, die palästinensische Bevölkerung kollektiv zu bestrafen und dauerhaft zu schwächen.
„Es gibt keinen Zweifel mehr: Was wir sehen, ist nicht nur ein Krieg – es ist ein Plan zur systematischen Vernichtung der Lebensgrundlagen eines ganzen Volkes.“
Forderung nach Konsequenzen
B’Tselem fordert internationale Konsequenzen und ruft insbesondere den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag dazu auf, Ermittlungen gegen führende israelische Politiker einzuleiten – inklusive Netanjahu. Auch Staaten, die Israel politisch oder militärisch unterstützen, müssten sich ihrer Mitverantwortung stellen.
„Die Geschichte wird jeden fragen, wo er stand, als diese Verbrechen geschahen – auf der Seite der Menschlichkeit oder der Gleichgültigkeit“, sagte Parnas abschließend.
von Klaus Augental