Gaza

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Die humanitäre Lage im Gazastreifen spitzt sich dramatisch zu. Während israelische Blockaden weiterhin den Zugang zu Nahrungsmitteln und Hilfsgütern erschweren, stehen die wenigen noch funktionierenden Krankenhäuser der Region vor dem totalen Zusammenbruch. Immer häufiger werden Berichte bekannt, wonach medizinisches Personal aufgrund von Hunger und Erschöpfung zusammenbricht – und Säuglinge, für die keine Babynahrung verfügbar ist, nur noch mit Wasser am Leben gehalten werden.

Die New York Times hat erschütternde Zustände in mehreren Kliniken dokumentiert. In Gesprächen mit sieben Ärztinnen und Ärzten aus vier verschiedenen Einrichtungen – darunter lokale Kräfte wie auch freiwillige Mediziner aus den USA, Großbritannien und Australien – zeichnet sich ein verheerendes Bild ab.

„Ich habe Babys gesehen, die kurz vor dem Tod standen“, berichtet Dr. Ambereen Sleemi, eine amerikanische Chirurgin, die seit Anfang Juli im Nasir-Krankenhaus im Süden des Gazastreifens tätig ist. Ihr britischer Kollege Nick Maynard, ebenfalls vor Ort, beschreibt einen besonders erschütternden Fall: „Ein sieben Monate altes Baby war so abgemagert, dass ich dachte, es sei erst vor wenigen Tagen geboren worden. ‘Haut und Knochen’ ist dafür ein viel zu milder Ausdruck.“

Medizinisches Personal am Limit – Hunger als Kriegsinstrument

Neben den Patientinnen und Patienten sind zunehmend auch die Mitarbeitenden der Kliniken selbst betroffen. Krankenschwestern brechen vor Hunger zusammen, viele Stationen sind unterbesetzt, Notfallversorgung kaum noch möglich. In mehreren großen Krankenhäusern sind Infusionen und elementare Medikamente vollständig aufgebraucht.

„Das ist eine von Menschen verursachte Hungersnot, die als Kriegswaffe eingesetzt wird“, erklärt Maynard. „Wenn nicht sofort umfangreiche Hilfslieferungen zugelassen werden, werden noch viel mehr Menschen sterben.“

147 Tote durch Hunger – 88 davon Kinder

Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) lebt mittlerweile ein Drittel der Bevölkerung in Gaza tagelang ohne feste Nahrung. Die Folgen sind katastrophal: Unterernährung schwächt das Immunsystem und führt dazu, dass selbst behandelbare Erkrankungen tödlich verlaufen können.

Am Montag meldeten die Gesundheitsbehörden in Gaza den Tod von 14 weiteren Palästinensern – darunter ein Kind – infolge der anhaltenden Nahrungsmittelknappheit. Die Zahl der offiziell registrierten Hungertoten steigt damit auf 147, darunter 88 Kinder.

Begrenzte Hilfe – unzureichende Wirkung

Auf internationalen Druck hin hat Israel inzwischen eine begrenzte Öffnung für Hilfslieferungen zugelassen. Doch angesichts des akuten Versorgungsnotstands reicht dies bei Weitem nicht aus, um die eskalierende Krise zu stoppen.

Hilfsorganisationen und Ärzte fordern deshalb eindringlich einen umfassenden humanitären Korridor – ohne Verzögerung, ohne politische Bedingungen.

„Wenn die Weltgemeinschaft jetzt nicht handelt“, warnt Dr. Sleemi, „werden wir Zeugen einer humanitären Katastrophe historischen Ausmaßes.“

von Julia Arndt

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