
US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen haben sich auf die Grundzüge eines neuen Handelsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union geeinigt. Das gaben beide Seiten am Rande eines Treffens im schottischen Golfresort Turnberry bekannt. Das Abkommen sieht weitreichende Handelsliberalisierungen, milliardenschwere Investitionen und eine schrittweise Abkehr Europas von russischen Energieimporten vor.
Es ist klar, dass US-Präsident Donald Trump der Gewinner dieses Abkommens ist. Aber was bedeutet dieses Abkommen für die EU? Was sind die Vor- und Nachteile für die EU?
Strategische Abhängigkeit von den USA nimmt zu
Das Abkommen fördert eine deutliche Verlagerung der europäischen Energieversorgung: Flüssigerdgas (LNG), Öl und sogar Kernbrennstoffe sollen vermehrt aus den USA importiert werden – als Ersatz für russisches Gas und Öl. Diese Umstellung ist geopolitisch brisant, denn:
- Europa macht sich energiepolitisch stärker von den USA abhängig.
- Die eigene Energiesouveränität wird geschwächt, insbesondere in Ländern wie Deutschland, die nach dem Atomausstieg nun amerikanische Kernbrennstoffe importieren müssten.
- Russlands geopolitischer Einfluss wird geschwächt, was zwar aus Sicht westlicher Sicherheitsstrategien erwünscht ist, jedoch neue Spannungen in Osteuropa und auf dem Balkan erzeugen könnte.
Sicherheits- und Rüstungsarchitektur im Wandel
Die Einigung beinhaltet großvolumige Waffenimporte europäischer Staaten aus den USA. Diese Entwicklung hat tiefgreifende Folgen:
- Die europäische Verteidigungsindustrie verliert an Einfluss, insbesondere französische und deutsche Rüstungskonzerne.
- Die NATO wird wirtschaftlich stärker mit US-Rüstungsinteressen verflochten – das könnte die Abhängigkeit Europas von den USA in sicherheitspolitischen Fragen weiter zementieren.
- Ein eigenständiges europäisches Verteidigungsbündnis (z. B. PESCO) wird weiter geschwächt, da wirtschaftliche Interessen divergieren.
Industriepolitische Reibungslinien
Die Vereinbarung über Zölle (z. B. einheitlicher Zollsatz von 15 %) und zollfreie Bereiche für bestimmte US-Produkte wirkt zunächst marktwirtschaftlich harmonisierend – in der Tiefe könnten jedoch folgende Spannungen entstehen:
- Die europäische Landwirtschaft gerät unter Druck durch stark subventionierte US-Importe.
- US-Technologieprodukte (z. B. Halbleiter, Pharmazeutika) erhalten leichteren Zugang zum EU-Markt – eine Bedrohung für lokale Unternehmen in diesen Branchen.
- Es besteht die Gefahr eines „Technologie-Austauschdefizits“: Europa öffnet sich, während die USA Schlüsseltechnologien strategisch abschirmen.
Politische Dynamiken innerhalb der EU
Das Abkommen könnte die politischen Gräben innerhalb der EU vertiefen:
- Frankreich und Deutschland – als führende Staaten – verhandeln mit, während kleinere Mitgliedsstaaten möglicherweise benachteiligt werden.
- Osteuropäische Länder könnten sich weiter an Washington orientieren, was die Kohäsion der EU schwächt.
- Handels- und Energiepolitik werden zunehmend transatlantisch, während autonome europäische Strategien ins Hintertreffen geraten.
Globale Verschiebung geopolitischer Allianzen
- Europa rückt wirtschaftlich näher an die USA – zum Preis einer weiteren Distanzierung von China und Russland.
- Das neue Bündnis setzt Peking unter Druck, denn ein geschlossener westlicher Wirtschaftsraum erschwert chinesische Exporte.
- Gleichzeitig könnte Europa in einen globalen Wirtschaftskonflikt zwischen USA und China hineingezogen werden – nicht als Gestalter, sondern als geopolitische Bühne.

Win-Win oder strategisches Risiko?
Während das Handelsabkommen kurzfristig wirtschaftliche Vorteile für beide Seiten verspricht, wird Europa langfristig in eine geopolitische Rolle gedrängt, in der es zwischen strategischer Abhängigkeit und wirtschaftlicher Verwundbarkeit steht. Der Deal stärkt Washingtons Position in Europa – auf Kosten europäischer Autonomie.
von Klaus Augental