
Die renommierte israelische Menschenrechtsorganisation B’tselem hat im Juli 2025 einen umfassenden Bericht „Our Genocide“ veröffentlicht, der die anhaltenden israelischen Angriffe auf den Gazastreifen seit dem 7. Oktober 2023 untersucht. Der Bericht erhebt schwere Vorwürfe: Israel begehe systematisch Verbrechen gegen die Menschlichkeit – bis hin zum Völkermord – und das sichtbar vor den Augen der internationalen Öffentlichkeit.
B’tselem, bekannt für ihre gründlich recherchierten und juristisch fundierten Dokumentationen, spricht in ihrem Bericht von einer gezielten und bewussten Politik, die nicht nur militärische Ziele verfolge, sondern sich zunehmend gegen die Zivilbevölkerung selbst richte. Der Vorwurf: Die Zerstörung von Wohngebieten, die systematische Aushungerung der Bevölkerung, das Blockieren humanitärer Hilfe und die gezielte Angriffe auf zivile Infrastrukturen erfüllten die rechtlichen Kriterien eines Völkermords.
„Die Fakten sprechen für sich“
In der über 100-seitigen Untersuchung beruft sich B’tselem auf Satellitenbilder, Augenzeugenberichte, Krankenakten, NGO-Daten, Videoaufnahmen und militärische Funksprüche. Die Organisation dokumentiert unter anderem:
- die Zerstörung ganzer Stadtteile wie Khan Younis und Rafah,
- Angriffe auf über 30 Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen,
- mehr als 200 dokumentierte Fälle, in denen Zivilisten in ausgewiesenen „Sicherheitszonen“ getroffen wurden,
- systematische Blockaden von Wasser-, Nahrungs- und Treibstofflieferungen,
- sowie den Tod von mindestens 88 Kindern an Hunger, verursacht durch die israelische Abriegelungspolitik.
Juristische Einordnung: Völkermordverdacht
B’tselem verweist in dem Bericht ausdrücklich auf die Definition von Völkermord gemäß Artikel II der UN-Völkermordkonvention. Darin heißt es, Völkermord umfasse Handlungen mit der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören. „Was wir derzeit in Gaza beobachten, ist kein Nebeneffekt militärischer Operationen, sondern Teil einer politischen und strategischen Zielsetzung,“ schreibt B’tselem-Direktorin Hagai El-Ad in einem Vorwort.
Die Organisation fordert internationale juristische Konsequenzen und ruft den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) auf, Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen und Völkermord einzuleiten – nicht nur gegen militärische Entscheidungsträger, sondern auch gegen politische Verantwortungsträger in der israelischen Regierung.
Reaktionen aus Israel und der Welt
Die israelische Regierung hat den Bericht als „politisch motiviert und völlig haltlos“ zurückgewiesen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte: „Israel verteidigt sich gegen eine terroristische Organisation, die bewusst aus zivilen Gebieten heraus operiert. B’tselem ignoriert diese Realität völlig.“
Internationale Reaktionen fielen gemischt aus. Während Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International die Ergebnisse von B’tselem begrüßten und zur unabhängigen Überprüfung aufriefen, halten sich westliche Regierungen bislang zurück.
Die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in den besetzten Palästinensergebieten, Francesca Albanese, erklärte: „Die Erkenntnisse von B’tselem decken sich mit unseren Beobachtungen. Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein systematisches Muster.“
„Vor aller Augen – und doch geschwiegen“
Was B’tselem besonders betont: Die Welt sieht zu. Die Angriffe auf Gaza erfolgen nicht im Verborgenen – Satellitenbilder, Liveübertragungen, Social Media und unabhängige Journalisten berichten täglich von der Katastrophe. Und dennoch bleiben Konsequenzen bislang aus. „Wenn die Weltgemeinschaft weiterhin untätig bleibt, verliert sie jede moralische Glaubwürdigkeit,“ heißt es abschließend in dem Bericht.
von Fred Coldson